Die Bodenbiologie - ein wichtiger Faktor nicht nur im ökologischen Pflanzenbau

Stand: 06/01/2023
Die Bodenbiologie übernimmt zahlreiche Aufgaben und ist ein nicht zu unterschätzender Helfer des Pflanzenbaus. Deshalb ist sie ein wichtiges Hilfsmittel nicht nur für ökologisch wirtschaftende Betriebe. Die Komplexität der Thematik wird an verständlichen Beispielen von Torsten Feldt vom Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau (KÖL) RLP erläutert.

Im ökologischen Pflanzenbau ist Stickstoff oft ein limitierender, wenn nicht sogar DER limitierende Faktor, je nach Region und Niederschlagsverteilung. Die reglementierenden Vorgaben der Düngeverordnung zwingen auch konventionelle Betriebe dazu, diesen effektiv zu nutzen. Eine andere noch junge Forschung befasst sich damit, die Bodenbiologie so günstig oder positiv zu beeinflussen, dass das Bodenleben, welches in seiner Gesamtheit ebenfalls als Bodenmikrobiom oder synonym als Mikrobiota und Mikroflora bezeichnet wird, genügend Stickstoff oder andere Nährstoffe den Pflanzen zur Verfügung stellt. Die Bodenbiologie bestehend aus Bakterien, Pilzen und aus Algen / Flechten.

Neuere Forschungsergebnisse aus Großbritannien zeigen, dass durch eine organische Düngung verschiedene Gruppen von Mikroorganismen gefördert werden und dadurch die Stickstoffaufnahme der Pflanzen gesteigert werden kann. Die Mikroorganismengruppen wurden in dieser Studie über eine Genanalyse identifiziert. Diese neuen Ergebnisse bestätigen die älteren Ergebnisse des Landwirtschaftliche Technologiezentrums (LTZ) Augustenberg, aus einem Langzeitversuch mit dem Thema „Nachhaltige Kompostanwendung in der Landwirtschaft“ (Abbildung 1). Der in Abbildung 1 erwähnte Begriff „Cmik“ steht für mikrobiell gebundenen Kohlenstoff. In der Variante ohne Kompost wird Cmik als einhundert Prozent mikrobiell gebundener Kohlenstoff ausgewiesen. Durch die Gabe von mengenmäßig unterschiedlichen Kompostgaben konnte Cmik gesteigert werden. Vereinfacht ausgedrückt: je mehr Biodiversität im Boden vorhanden ist, desto mehr soziale Interaktion von Mikroorganismen ist im Boden vorhanden. Was so einleuchtend und einfach klingt, beinhaltet aber ein großes Problem nämlich, dass über Funktion und die Zusammensetzung des idealen Mikrobioms bisher noch zu wenig bekannt ist. In diesem Bereich ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Je nachdem welche Literatur herangezogen wird, so sind ca. 95 % des Bodenlebens nicht bekannt, geschweige denn erforscht.



Quelle: Nachhaltige Kompostanwendung in der Landwirtschaft Abschlussbericht 2008 S. 119 verändert

Wieso sollen ca. 95 % des Bodenmikrobioms unbekannt sein?

Gleicht man durch die Genomanalyse die bekannten mit den unbekannten Genomen ab und errechnet daraus den Prozentwert, so ergeben sich die ca. 95 % an unbekannter Arten. Bis jetzt ist auch noch wenig darüber bekannt, wie diese verschiedenen Arten interagieren bzw. was deren Funktion im Bodengefüge ist. Ebenso spärlich ist das vorhandene Wissen, welche Spurennährstoffe die Gesamtheit oder einzelne Arten benötigen oder wie sie dadurch gefördert werden können. Bestimmte Arten zu fördern hört sich vielleicht einfach an, aber ist nicht so trivial wie es auf den ersten Blick erscheint. Im weiteren Verlauf wird anhand des Mykorrhiza-Pilzes versucht, die Problematik verständlicher zu machen. So fällt in verschiedenen Versuchen immer wieder auf, dass unterschiedliche Präparate zur Förderung des Bodenmikrobioms eine hohe Streuung in den Versuchsergebnissen oder der Praxis hervorbringen. In der Regel bestehen dies Präparate aus wenigen Bakteriengruppen oder Bakterienstämmen. Eine potentielle Erklärung hierfür ist folgende: wenn auf der einen Fläche genau die applizierte Art der limitierende Faktor war, so kann dies einen positiven und messbaren Effekt ergeben. Ist die zugeführte Art jedoch schon zur Genüge im Boden vorhanden, gibt es keine messbaren Effekte. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2010 bestätigt die Spannweite in der Menge einiger weniger Mikroorganismenarten in der Bodenschicht 0 – 15 cm (Tabelle 1). Dabei ist das geringe Gewicht jedes einzelnen Individuums zu berücksichtigt, das durch Anzahl/g ausgedrückt ist. In Tabelle 2 sind die Anzahl der Mikroorganismen und die Biomasse in g/m2 in verschiedenen Bodenschichten wiedergegeben. Die meiste Biomasse ist in der oberen Bodenschicht bis max. 5 cm Tiefe zu finden. Gerade diese Schicht reagiert empfindlich auf direkte Sonneneinstrahlung. Sie kann dadurch leicht austrocknen bzw. erwärmt sich sehr stark. Je nach Bodenart und Sonneneinstrahlung können ca. 60°C Bodentemperatur an der unbewachsenen Bodenoberfläche erreicht werden. Deswegen ist es sinnvoll, den Boden vor übermäßiger Erwärmung bzw. Sonneneinstrahlung zu schützen. Dazu eignen sich Begleit- und Untersaaten oder der Zwischenfruchtanbau.

Tabelle 1: Biomasse ausgewählter Mikroorganismenarten in der Bodenschicht 0-15 cm in g/m2
MikroorganismenAnzahl/g BodenBiomasse (g/m2)
Bakterien108 – 10940 - 500
Actinomyceten107 – 10840 - 500
Algen104 – 105-50
Fungi105 – 106100 – 1500
Quelle: Hoorman JJ, Islam R. Understanding soil microbes and nutrient recycling. Agricultural and Natural Resource. 2010;16(10)

Tabelle 2: Mikroorganismen in unterschiedlichen Bodenschichten absolut und in g/m2
BodentiefeMikroorganismenBiomasse in g/m2
0 - 59,81,6
5 - 154,00,16
15 - 252,00,12
Quelle: Fierer N, Schimel JP, Holden PA. Variation in microbial community composition through two soil depth profile. Soil Biology and Biochemistry. 2003;35(1):167‒176.


Worüber ist gesichertes Wissen vorhanden?

Ein wichtiger Bestandteil der Biodiversität ist das Mykobiom, zu denen auch die Pilze zählen. Z.B. können sie eine wesentliche Rolle bei der Zersetzung organischer Substanz einnehmen oder sind an dem Austausch von Nährstoffen als Symbionten beteiligt. Unter Symbionten sind die in einer Wechselbeziehung stehenden Arten zu verstehen. Es sind mindestens zwei Arten, oftmals aber auch mehrere verschiedene Arten, die miteinander agieren. Anders ausgedrückt: Symbiose = sie profitieren gegenseitig voneinander; Parasit = nutz den anderen zu seinen Gunsten aus.

Der Übergang vom Nützling zum Parasit ist fließend. Eine Symbiose kann kurzfristig oder dauerhaft bestehen. Ein Beispiel für eine kurzfristige Symbiose ist die Bestäubung einer Blüte durch eine Biene. Dagegen sind die Knöllchenbakterien bei Leguminosen in der Regel eine langfristige Beziehung unter der Erdoberfläche. Diese simplen und den meisten Lesern bekannte Bespiele leiten den Übergang zur komplexeren Betrachtung ein.

Weitestgehend unbekannt dürfte der Begriff „Mykoheterotrophie“ sein, dessen freie Übersetzung „Sich mithilfe von Pilzen ernährend“ bedeutet. Weltweit sind heute ca. 400 Pflanzenarten bekannt, die sich nach dieser Art oder teilweise danach ernähren. Die bekanntesten Pflanzenarten gehören zur Familie der Orchideengewächse. In Deutschland zählt die Familie der Heidekrautgewächse zu den bekannten Vertretern der mykoheterotrophen Pflanzenarten. Aufgabe der Pilze in dieser „Partnerschaft“ ist es, die Pflanze ganz oder teilweise mit Mineralien und / oder Kohlenstoffverbindungen zu versorgen. Im Gegenzug erhält der Pilz zuckerhaltige Verbindungen. Diese Art der Symbiose funktioniert auch zwischen Algen und Pilzen. Die Algen liefern den Pilzen Kohlenhydrate und im Gegenzug erhalten die Algen Nährsalze und Wasser von den Pilzen. Das erklärt, wieso man manchmal Algen auf Ackerflächen findet, wo sie nicht zu vermuten sind.

Beispiel Mykorrhiza, wie wird kommuniziert und was ist zu beachten

Von Mykorrhiza-Pilzen ist bekannt, dass sie die Oberfläche der Wurzel durch kolonisieren vergrößern. Des Weiteren bilden sie ein Myzel-Netzwerk mit dem umgebenen Boden aus, was zu einer Steigerung der Nährstoff- und Wasseraufnahme der Pflanzen führt. Es gibt verschiedene Arten von Mykorrhiza-Pilzen. Wer Mykorrhiza-Pilze einsetzen möchte muss darauf achten, dass diese kulturartspezifisch zu verwenden sind. Besser ist jedoch durch die richtige Bodenpflege optimale Lebensbedingungen für Mykorrhiza-Pilze zu schaffen, damit diese sich selbständig vermehren.

Sollte eine Kulturpflanze nicht an einer weiteren Symbiose mit einem Mykorrhiza Pilz interessiert sein, ist sie ihm nicht schutzlos ausgeliefert. Über das Phytohormon Gibberellin signalisiert sie, dass ihr Bedarf gedeckt ist. Gleichzeitig verhindert die höhere Gibberellinkonzentration in der Wurzelzelle die Ausbreitung des Mykorrhiza Pilzes. Benötigt dagegen die Pflanze Phosphat, wird das dem Mykorrhiza Pilz durch hormonelle Signale übermittelt und die Gibberelinkonzentration wird gesenkt. Mykorrhiza-Pilze können dann im Boden Phosphate aufschließen. Es gibt jedoch nicht nur Mykorrhiza im Boden, sondern auch viele andere Arten. Dazu kommen noch als große Gruppen Bakterien, Algen und Protozoen (Einzeller). Diese agieren zum Teil positiv miteinander, aber auch gegeneinander, da sie sich zum Fressen gern haben.

Mais ist eine Kultur die Mykorrhiza-Pilze gerne hat. Sie lockt durch ihre Wurzelausscheidung Flavon-Synthase 2, einem Enzym, spezielle Bakterien an, wie Forscher der Uni Bonn und der Southwest University (China) mit weiteren Partnern in ihrer gemeinsamen Studie mit dem Titel „Plant flavones enrich rhizosphere Oxalobacteraceae to improve maize performance under nitrogen deprivation“ nachwiesen. Durch Flavon-Synthase 2 werden spezielle Bakterienstämme angelockt, die wiederrum dafür sorgen, dass die Maiswurzeln mehr Seitenwurzeln bilden und dadurch mehr Bakterien Stickstoff aufnehmen können. Leider verfügen nicht alle Maissorten gleich gut über diese Eigenschaft. Für den Versuch wurden spezielle Zuchtlinien verwendet.

In Abbildung 2 ist der natürliche Kreislauf der Stickstoffproduktion im Boden wiedergegeben. Daran ist zu erkennen, dass Bakterien nicht nur Stickstoff fixieren, sondern auch umbauen und abbauen können.


Abbildung 2: Schematische Darstellung des Stickstoffkreislaufs in der Natur


Quelle: Von Cicle_del_nitrogen_ca.svg: Johann Dréo (User:Nojhan), traduction de Joanjoc d'après Image:Cycle azote fr.svg.derivative work: Burkhard (talk) - Cicle_del_nitrogen_ca.svg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7670200

In Abbildung 3 ist zu erkennen, dass die Fixierleistung von Leguminosen durch die Gaben von Mist oder Kompost gesteigert werden kann. Die gesteigerte Fixierleistung der Leguminosen lässt sich über die Förderung des Mikrobioms durch den Mist oder Kompost erklären, was letztendlich einen höheren Ertrag der Kultur zur Folge hat.

Abbildung 3: Systemleistung von Komposten und Mist auf die Knöllchenbildung bei Erbse und der N-Fixierleistung



In Abbildung 3 ist zu erkennen, dass die Fixierleistung von Leguminosen durch die Gaben von Mist oder Kompost gesteigert werden kann. Die gesteigerte Fixierleistung der Leguminosen lässt sich über die Förderung des Mikrobioms durch den Mist oder Kompost erklären, was letztendlich einen höheren Ertrag der Kultur zur Folge hat.

Das Mikrobiom wirkt nicht nur positiv auf die N-Fixierleistung bei Leguminosen, sondern hat ebenfalls einen positiven Effekt auf die Pflanzengesundheit. In Abbildung 4 wurde die Gesundheit der Kartoffelknollen nach einer Grüngutkompostgabe beurteilt. Bei Betrachtung über den Versuchszeitraum und den Standorten fällt auf, dass der Sklerotienbesatz geringer war, wenn Grüngutkompost eingesetzt wird.

Erklärungsansatz für das Versuchsergebnis

An einer gesunden Pflanze hat ebenfalls das „befreundete“ Mikrobiom ein Interesse, da es in einer Abhängigkeit zu der Pflanze stehen. Ist die Pflanze bereits früher mit einem Pathogen in Berührung gekommen und kennt den Erreger, so scheint sie diese Informationen auch an die „befreundeten“ Bakterien des Wurzelmikrobioms weiter zu geben. Entdecken die „befreundeten“ Bakterien den Krankheitserreger in der Nähe der Wurzel, so schlagen sie Alarm und die Pflanze kann Abwehrstoffe bilden. Diese These wird durch die Ergebnisse (Abbildung 4) letztendlich bestätigt. 2016 wurde der Satz geprägt: „Von der Gentechnik zur Ökotechnik“ in dem Artikel „Ingenieurskunst für die Wurzeln“ auf Pflanzenforschung.de. Diese Formulierung erscheint zutreffend, da die Ökologie Mechanismen besitzt und entwickelt sich vor Feinden zu schützen.


Fazit:

Die Interaktionen des Mikrobioms im Boden sind noch wenig erforscht und scheinen sehr komplex zu sein. Durch die Gabe von guten Kompostqualitäten oder durch die Gabe von Mist scheint das Mikrobiom jedoch gefördert zu werden, was wiederum zu einer Erhöhung der N-Fixierleistung bei Leguminosen oder zur Reduktion von Krankheitserregern führen kann.

Abbildung 4: Reduktion von Sklerotienbesatz bei Kartoffeln durch den Einsatz von Grüngutkompost



Torsten.Feldt@dlr.rlp.de     www.Oekolandbau.rlp.de