Darmflora – pflegen und verstehen

Was ist eine Darmflora?

In unserem Darm leben verschiedenste mikrobielle Organismen wie Bakterien und Pilze sowie Viren, die zusammen die intestinale Mikrobiota bilden. Die intestinale Mikrobiota wird auch als Darmflora bezeichnet. Ungeborene haben noch keine Darmflora. Sie bestehen zu 100 Prozent aus menschlichen Zellen. Bei der natürlichen Geburt gibt die Mutter Darmbakterien an ihr Kind weiter. Kaum verlässt das Kind die keimfreie Gebärmutter, wird es zusätzlich mit einer Vielzahl von Bakterien aus der Umwelt konfrontiert. Der erwachsene Organismus besteht schließlich aus zehn Prozent menschlichen Zellen und 90 Prozent Mikrobenzellen. Das ist aber zum Glück optisch nicht feststellbar, da die menschlichen Zellen viel größer sind.

Der Darm ist das Zuhause von 100 Billionen Darmmikroben. Das sind so viele, dass sie zusammen zwei Kilogramm wiegen. Welche Bakterienstämme im Darm leben und wie diese zusammengesetzt sind, ist unabhängig davon, ob jemand asiatischer oder europäischer Herkunft, ob jung oder alt, ob männlich oder weiblich ist. Die Darmflora ist so einzigartig wie der Fingerabdruck.

Die meisten dieser Bewohner halten sich im Dickdarm auf. Dort gelangt alles hin, was im Dünndarm nicht verwertet und in den Körper aufgenommen werden konnte. Die dort lebenden Mikroorganismen „essen“ diese Reste und produzieren dabei Fettsäuren und Vitamine und setzen Mineralstoffe frei. Die Menge, die die Darmflora an nützlichen Dingen für ihren menschlichen Wirt produziert, ist so groß, dass die westliche Ernährung zu 90 Prozent aus dem besteht, was der Mensch täglich isst und zu zehn Prozent, was die Bakterien täglich bilden und „zufüttern".

Bakterien sind im Sprachgebrauch vieler Menschen negativ behaftet. Dabei sind mehr als 95 Prozent aller Bakterien ungefährlich. Auch schädliche Bakterien können in gewissen Mengen gut sein, da sie das Immunsystem trainieren. Im Darm finden tagtäglich „Kriege“ zwischen den verschiedenen Bakterienstämmen statt. Meist gewinnen aber die Guten.


Wie bestimmen die Darmbewohner unser Leben?

Die Forschungen dazu stecken noch in den Kinderschuhen. Aber es gibt einige interessante Zusammenhänge. So wurden unter anderem bei Übergewicht, Nervenkrankheiten, Depressionen oder chronischen Darmproblemen veränderte Bakterienverhältnisse im Darm festgestellt. Offen ist bei einigen Krankheiten noch, ob die Veränderung des Mikrobioms Ursache oder Folge der Erkrankungen sind.
Der größte Teil, genauer gesagt 80 Prozent, des Immunsystems sitzt im Darm. So gibt es mittlerweile einige nachgewiesene Zusammenhänge zwischen Mikrobiota und Immunabwehr, Allergien, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Diabetes und Autismus, um nur einige zu nennen.
Studien haben einzelne Bakterienarten identifiziert, welche mit Faktoren wie Körpergewicht oder Blutzucker korrelieren. In Bezug auf Übergewicht wurde besonders häufig eine Darmflorafamilie gefunden, die die Kohlenhydrataufspaltung im Dickdarm perfektioniert hat. Diese Bakterien können aus allen Resten im Dickdarm das Maximum herausholen. Das hat den Vorteil, dass sie sehr viele nützliche Stoffe, wie zum Beispiel Vitamine bilden, der Mensch aber auch leichter an Gewicht zulegt. Darmmikrobiota haben grundsätzlich das Potential, das Körpergewicht zu regulieren, die tatsächlichen Effekte sind jedoch sehr stark von den komplexen Umweltbedingungen abhängig. Obwohl bereits bestimmt Bakterienarten identifiziert wurden, lassen sie sich nicht einfach isoliert zum Abnehmen einsetzen, da sie nur als Teil eines ganzen Bakterien-Ökosystems existieren können.

Neurowissenschaftler gehen darüber hinaus davon aus, dass Mikrobiota einen Teil des menschlichen Verhaltens steuern. Mikroben bilden eine Vielzahl biologisch aktiver Substanzen, darunter auch Neurotransmitter. Diese Signalstoffe gelangen vom Darm in den gesamten Organismus. In diesem Zusammenhang wird auch oft von der Darm-Hirn-Achse, die direkte Verbindung zwischen Kopf und Bauch, gesprochen. Erste Studien deuten darauf hin, dass einige Bakterienstämme uns helfen können, die schädlichen Auswirkungen des Stresses auf unseren Körper zu reduzieren.


Was verändert oder zerstört unsere Darmflora?

Es gibt viele Einflussfaktoren auf die Mikrobiota. Diese beginnen schon bei der Geburt.
Kommt ein Kind durch einen Kaiserschnitt zur Welt, dauert es Monate länger, bis es eine normale Darmflora gebildet hat. Dadurch hat es ein erhöhtes Risiko, Allergien oder Asthma zu entwickeln. In den ersten Lebensjahren ist nicht nur entscheidend, wie das Kind zur Welt kommt, auch Nicht-Stillen, schlechte Ernährung, Behandlung mit Antibiotika, zu viel Sauberkeit oder zu viele Begegnungen mit unguten Keimen im Allgemeinen können ihren Anteil haben.
Auch im weiteren Leben kann sich die Darmflora immer wieder ändern. Einflussfaktoren sind Gene, Alter, Medikamente, Umwelteinflüsse, Lebensstil und Ernährung. Das alles trägt dazu bei, wie die kleine Welt in unserem Bauch aussieht und welche Bakterienfamilien gerade dominieren.

Antibiotika sind besonders kritisch zu sehen. Eine Therapie mit Antibiotika zerstört einen Großteil der Bakterien. Dabei werden nicht nur die schädlichen, sondern auch die nützlichen Darmbakterien zerstört. Nach einer Antibiotikaeinnahme gibt es also nur noch wenige Darmbakterien, die für uns sorgen können. Vor allem bei kleinen Kindern, deren Darmflora noch im Aufbau ist, sollten Antibiotika nur verwendet werden, wenn sie wirklich notwendig sind.


Probiotika – Was kann ich meinem Darm Gutes tun?

Probiotika sind Lebensmittel oder Präparate mit lebenden Bakterien, denen gesundheitsförderliche Eigenschaften zugesprochen werden, sofern sie den Magen unbeschadet passieren können. Sie bieten die Möglichkeit, die Darmflora mit guten Darmbakterien zu unterstützen. So finden sich zum Beispiel in nicht erhitztem Sauerkraut oder Joghurt von Natur aus verschiedene Milchsäurebakterien. Es gibt aber auch Lebensmittel, die gezielt mit probiotisch wirkenden Bakterien werden oder Probiotika in Kapselform.

Die Fermentation ist die älteste Möglichkeit, lebendige Bakterien aufzunehmen. Zum Fermentieren eignen sich fast alle Gemüsesorten, die roh gegessen werden können. Durch die Fermentation wird das Gemüse von Bakterien vorverdaut. Dabei produzieren sie auch Vitamin C. Unerhitzte fermentierte Produkte liefern uns also lebendige Bakterien, die die guten Darmbewohner verstärken und eine Extraportion Vitamin C. Ob und wie viele Bakterien allerdings im Darm ankommen, um dort einen Nutzen zu erzielen, hängt von vielen Faktoren ab. Weitere Vorteile und Infos zur Fermentation finden Sie hier.

Es gibt auch die Möglichkeit, Kapseln mit lebendigen Bakterien zu kaufen. Diese Bakterien kommen definitiv im Darm an. Allerdings können sich die probiotischen Bakterien bei beiden Varianten nicht dauerhaft im Darm ansiedeln. Ähnlich wie Leiharbeiter unterstützen sie die Darmflora nur für die Zeit der Einnahme. Um sich dauerhaft ansiedeln zu können, sind es einfach zu wenige. Außerdem ist ein Nutzen erst merklich, wenn sie mindestens vier Wochen lang eingenommen wurden.

Wenn jemand öfters krank ist oder sonstige Beschwerden hat, die durch eine gute Darmflora behoben werden könnten, empfiehlt es sich, verschiedene Probiotika zu testen. Das Zusammenspiel der Mikrobiota mit dem Menschen ist so komplex, dass es nicht möglich ist vorherzusagen, welche Bakterienstämme die erwünschte Wirkung erzielen. Wenn sich nach vier Wochen Einnahme nichts verbessert, kann weiter probiert werden, bis ein Bakterienstamm gefunden wird, der zu einem passt und hilft. Auch ist es möglich, einen Mix aus verschiedenen Bakterienstämmen zu probieren.
Wem das zu umständlich ist, kann einfach probieren, täglich einen Becher Joghurt zu essen. Auch Sojajoghurts und ähnliche Produkte enthalten Bakterien. Einige Studien zeigen, dass ältere Menschen oder stark geforderte Athleten, die regelmäßig Probiotika konsumieren, weniger heftig oder seltener erkältet sind.


Präbiotika - Speiseplan darmflorafördernd gestalten

Jede Bakterienkultur im Darm hat ein bestimmtes „Lieblingsessen“.Das ermöglicht uns, durch bestimmte Nahrungsmittel gute Bakterien zu fördern. Die einzige Voraussetzung ist, dass die richtigen Bakterien bereits im Darm vorhanden sind. Wenn sie mit dem gefüttert werden, woraus sie besonders viel Energie ziehen, können sie sich schneller vermehren, werden stärker und gewinnen die Oberhand über die unerwünschten Darmbewohner.

Während sich unerwünschte Darmbewohner bei einer ballaststoffarmen Ernährung mit reichlich gesättigten Fettsäuren besonders wohlfühlen, lieben gute Bakterien Ballaststoffe. Sie verstoffwechseln lösliche Ballaststoffe wie Pentosane und ß-Glukane aus Getreidearten, Pektine aus Obst oder Inulin in bestimmten Gemüsen. Dabei hat aber jeder Stamm seine eigenen Vorlieben.
Bifidobakterien und Laktobazillen, die zu den größten erwünschten Bakterienstämmen im Darm gehören, bevorzugen beispielsweise Inulin und Fruktooligosaccharide (FOS, kettenförmige Verbindungen aus Fruchtzucker) und andere für den Menschen unverdauliche Oligosaccharide sowie resistente Stärke. Inulin kommt in vielen Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft vor, besonders in Topinambur, Schwarzwurzeln, Yacon und Chicoree. Weitere gute Quellen für FOS sind z.B. Knoblauch, Zwiebeln, Spargel oder Roggen. Resistente Stärke entsteht, wenn ein stärkereiches Lebensmittel abkühlt. Also zum Beispiel wenn Kartoffeln oder Reis gekocht und anschließend abgekühlt werden. So hat wahrscheinlich jeder von uns unbewusst ein bakterienfreundliches Lieblingsgericht wie Kartoffelsalat oder Sushi.

Ballaststoffe, die bevorzugt von gesundheitsfördernden Bakterien abgebaut werden, werden auch Präbiotika genannt. Die meisten Deutschen essen zu wenige Ballaststoffe, geschweige denn Präbiotika. Empfohlen sind 30 Gramm Ballaststoffe am Tag, gegessen werden im Durchschnitt nur etwa 20 Gramm.

Ballaststoffe wirken sich zwar günstig auf die Darmflora aus, dennoch sollte ihr Konsum zur Gewöhnung nur langsam gesteigert werden, damit der Körper und die Darmbakterien nicht plötzlich überfordert werden.
Weitere Infos zu Ballaststoffen finden Sie hier.

Allgemein betrachtet gilt: Je vielfältiger die Ernährung, desto widerstandsfähiger ist die Mikrobiota.


Quellen und weiterführende Informationen


Melina.Ebert@dlr.rlp.de     www.Ernaehrungsberatung.rlp.de